34 Dritte Lehrstufe.
Schwäche ein. Dem Streite im Innern zu wehren, wurde
nnter Maximilian I. allgemeiner Landfriede und ein Reichs-
kammergericht eingeführt, und um dessen Urtheile desto leichter
vollstrecken zu können, theilte Kaiser Max (1512) das
Reich in 10 Kreise. Die Zahl der ziemlich unabhängigen
Neichsglieder — Kurfürsten, weltliche und geistliche Reichs-
fürsten und freie Städte — belief sich, von den etwa 1500
freien Neichsrittern abgesehen, um diese Zeit auf nicht weniger
als 296. Im Lanfe der nach Deutschlands tiefster Schmach
gegen Napoleons Willkürherrschaft geführten Befreiungskriege
erlosch (1806) die römisch-deutsche Kaiserwürde, und an die
Stelle des Kaiserreiches trat 1815 der Deutsche Buud, der
feine 35 Glieder nur lose verband, und dessen Wirksamkeit
für das Gefammtwohl nicht viel nachzurühmen ist. Er wurde
aufgelöst durch den öiierrreichisch-preußischen Krieg von 1866
und nach Ausscheidung Oesterreichs ersetzt durch den Nord-
deutschen Bnnd, der neben Preußen mit seinen erworbenen
Landestheilen (Hannover, Kurhessen, Schleswig-Holstein,
Nassau, Frankfurt und Lauenburg) noch 21 kleinere deutsche
Staaten umfaßte, d. h. das damalige gestimmte Deutschland
mit Ausnahme der Südstaaten Baiern, Würtemberg und
Baden und eines Theils von Hessen, (vgl. I. Lehrst. §. 37).
Gemeinsames Heimats- und Strafrecht, gemeingültige Gesetzes-
bestimmnngen über Gewerbebetrieb, Münzen, Maß und Gewichte,
über Eisenbahn- Post- und Telegraphenwesen, über Land-
und Seewehr, ein gemeinsames Oberhandelsgericht (zu Leipzig)
und vor allem eine gemeinsame Vertretung im Buudesrath
und Reichstag bilden ebenso viele enge Bande, welche die
verschiedenen Bnndesglieder zu einem festen Ganzen verknüpfen.
Mit jenen Südstaaten war der Norddeutsche Bund bis vor
Kurzem nur durch gleiche Wehrverfassung, ein Trutz- und
Schutzbündnis, das für den Kriegsfall sämmtliche Heere unter
den Oberbefehl des preußischen Königs als des Bnndesober-
Hauptes stellte, und durch ein gemeinsames Zollparlament
verbunden. Erst der glorreiche Krieg des Jahres 1870 gegeil
das herausfordernde Frankreich hat auch hier die Bande enger
geschlungen. Mit Vorbebalt einzelner Souveränitätsrechte sind
die Südstaaten dem nnnmehr allgemein Deutschen Buh d e
beigetreten, einstweilen noch widerwillig treten anch die deutschen
Brüder von Elsaß und Lothringen herzu, und alle umschlingt
gegennwärtig das Band der Zugehörigkeit zu dem neuerstan-
denen Deutschen Kaiserreiche.
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Extrahierte Personennamen: Maximilian_I. Max_( Max Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Napoleons Oesterreichs Hannover Kurhessen Schleswig-Holstein Nassau Frankfurt Lauenburg Deutschland Würtemberg Baden Hessen Frankreich Lothringen
86
höheren Staatsbeamten, wie Herzogen u. s. w., ein hoher Adel,
dessen Macht den größten Einfluß auf die Verwaltung des Reiches
übte und den Königen selbst gefährlich wurde. Ja jene mußten nach
und nach wahre Landesfürsten werden, da sie von ihren großen
Lehnsgütern wieder an kleinere Besitzer vergaben, um diese zu beson-
derer Treue und Dienstleistung gegen sich zu verbinden, und dadurch
ihre Macht zu erhöhen (Afterlehen, Afterlehnsleute). Diese
standen darum nur mittelbar unter dem Kaiser. Doch erwehrten
sich viele kleinere Gutsbesitzer, bald auch die Bürger vieler Städte,
solcher drückenden Verhältnisse und bildeten die sogenannte unmit-
telbare Reichsritterschaft und freien Städte.
So begann Teutfchland in eine Vielherrschaft zu zerfallen, welche
der Einheit und Kraft des Ganzen sehr nachtheilig ward. Und doch
wäre diese nie nöthiger gewesen als um diese Zeit, da Teutfchland von allen
Seiten von Feinden angefallen und schrecklich verwüstet wurde. So beson-
ders von den Ungarn oder Magyaren, welche, ein kühnes und wildes
Reutervolk, das aus Asien gekommen, von ihren heutigen Wohnsitzen
aus alljährlich verheerende Raubzüge in die benachbarten Länder unter-
nahmen; und von den Normannen, welche auf ihren flachen, zahl-
losen Kähnen den Rhein herauf bis Koblenz vordrangen. Aus
Teutfchland schlug sie zwar Arnulf (großersieg bei Löwen 891),
und aus England Alfred der Große (ch 901) zurück. Aber in
Frankreich mußte man ihnen eine der schönsten Provinzen, die von
ihnen genannte Normandie, abtreten (Rollo 911), welche ihre
Herzoge als ein Lehen von Frankreich beherrschten. Einer derselben,
Wilhelm der Eroberer, ging nach England hinüber und wurde
durch die blutige Schlacht bei Hastings 1066 Herr des Landes.
Da seine Nachfolger als Herzoge der Normandie zugleich Vasallen
der Könige von Frankreich waren, so entstanden aus solchem Ver-
hältnisse durch das ganze Mittelalter hindurch zwischen Frankreich und
England langwierige und heftige Kämpfe. (Das Mädchen von
Orleans, Jeanne d'a r c, 1429 zur Zeit des Königes Karl Vii.).
Erst 1558 verloren die Engländer mit Calais ihre letzte Besitzung
in Frankreich.
Auch in Unteritalien hatten sich normännische Schaaren
niedergelassen, und dort, wie in Sicilien, seit 1050, ein blühendes
Königreich gestiftet.
8- 64.
Die sächsischen Kaiser. 918 — 1024.
Nach dem Ausgange der Karolinger (911) wählten die Teut-
schen, der alten Sitte eingedenk, Konrad I. (911—918), einen frän-
kischen Grafen, zum Könige.
Von dieser Zeit an war Teutfchland ein Wahlreich, was viel
zur Zersplitterung desselben beitrug, obgleich man gern bei einer
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Extrahierte Personennamen: Rollo Wilhelm Jeanne_d'a Karl_Vii Karl Konrad_I.
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Asien Rhein England Frankreich Frankreich England Frankreich Frankreich England Frankreich Unteritalien Sicilien
160
Vater die mit dem Herzogthume Kärnthen verbundene Mark
Verona zur Verwaltung erhalten, und daher dentitel Markgraf
angenommen, welcher nachher auf seine ganze Nachkommenschaft
überging; alsantheil aus dem zähringischen Familiengute aber besaß
er die Herrschaft Hochberg im Breisgau mit einigen anderen
Stücken. Hermann wäre also eigentlich der Stammherr des
hochbergischen Hauses; aber durch seine Gemahlinn Jtha, eine
Tochter aus dem uralten Grafengeschlechte von Eber stein, erheira-
thete er die Burg Baden im Osgau, mit dem gleichnamigen
Flecken, welcher sich aus den Trümmern der römischen Bäderstadt
Aurelia erhoben hatte; worauf sein Sohn, Hermann Ii., daselbst
seinen Sitz nahm und sich Markgraf von Baden nannte (um
1100).
Im vierten Geschlechte nach Hermann demheiligen trennte
sich das badische Haus zum erstenmal in zwei Linien, durch Her-
mann V. und Heinrich I., die Söhne Markgraf Hermanns
Iv., welcher auf einem Kreuzzuge im heiligen Lande gestorben war
(1190); der ältere behielt Baden (wozu er noch die Städte Dur-
lach und Ettlingen erwarb), der jüngere dagegen empfing die
Stammherschaft Hochberg, und erscheint somit als Stifter des
hochbergischen Markgrafengeschlechts, das 1417 ausstarb,
worauf dessen Besitzungen an Baden zurückfielen.
Aber der erste eigentliche Gründer der Markgrafschaft Baden
als eines Fürstenthums, war Rudolph I. (f 1288), der zweite
Sohn Markgraf Hermanns V. Denn dieser Fürst benutzte die
verwirrten Zeiten des großen Zwischenreichs nach Ausgang der
Hohenstaufen zur Vermehrung seines Hausgutes durch Besitznahme
von Reichsgütern und Reichsrechten, welche ihm später zwar Kaiser
Rudolph l. in einer heftigen Fehde wieder abnahm, deren größten
Theil er jedoch nach hergestelltem Frieden fortbehauptete. Änd so
erhielt unter anderen sein Enkel Markgrafru do l ph Vi., vom Kaiser
Karl Vi. im Jahre 1362 die urkundliche Belehnung mit dem
»Fürstenthume der Markgrafschaft Baden, als dem
Lande von Graben bis Mühlberg an der Alb und von da bis
an die Schwarzach, mit dem Hard, der Stadt Ettlingen,
mit Wildbäumen, Forsten, Geleiten, Münzen und Gerichten, wie
solches seine Vorältern als Lehen vom Reiche hergebracht hätten.«
Von dem an wuchs nun das badischefürftenthum sowohl
an Ausdehnung als an Kultur mehr und mehr heran, nament-
lich unter den vier auf einander folgenden trefflichen Markgrafen
Bernhard I. (seit 1380), Jakob I. (seit 1430), Karl 1. (seit
1453) und Christoph I. (seit 1475), welche kauf-, erb- und
pfandschaftsweise viele Güter und Rechte erwarben, durch weise Ein-
richtungen, Gesetze und Stiftungen den Wohlstand ihres Landes be-
förderten und sich durch vielfältige Verträge den Besitz desselben sicher-
ten. Die Markgrafschaft zerfiel damals in die obere und in
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Extrahierte Personennamen: Hermann Jtha Hermann_Ii Hermann Heinrich_I. Heinrich_I. Hermanns
Iv. Hermanns_V. Rudolph_l Karl_Vi Karl Karl_1._( Karl
102
Auch die Gerechtigkeitspflege überhaupt zerfiel, seit die alte
Gauverfassung sich aufgelöst, und Teutschland nicht mehr einem,
sondern mehren Hunderten Landesherren gehorchte. Die Selbst-
hilfe oder das Fauftrecht nahm furchtbar überhand. Der Got-
tesfriede (treuga dei), der von der Geistlichkeit ausging und
alle Fehde vom Mittwoch Abend bis Montag früh, ferner in den
heiligen Zeiten und an Festtagen unter Strafe des Bannes verbot,
und der Land friede Friedrichs I., nach welchem die Fehde be-
schränkt wurde und drei Tage vorher angekündigt werden mußte,
konnten nicht immer jede Ausartung männlichen Sinnes und kriege-
rischen Muthes, was das Fauftrecht war, gehörig beschränken,
besonders seit dem Verfalle des teutschen Reiches nach dem Unter-
gänge der Hohenstaufen. Darum erlangten um diese Zeit die
sogenannten Fehmgerichte großes Ansehen und wirkten anfangs
sehr wohlthätig. Sie erstreckten sich ursprünglich nur auf die rothe
Erde, d. i. Weftphalen, bald aber über fast ganz Teutschland.
Dortmund unter dem Oberstuhlherrn, dem Erzbischöfe von Köln,
der im Namen des Kaisers Recht sprach, war der Hauptsi'tz dieser
Gerichte. Jedes Gericht oder sogenannte Freistuhl hatte seinen
Freigrafen oder Vorsitzer, und Freischöffen oder Wissende
als Beisitzer. Man richtete über Frevel wider Gott, Ehre und
Recht. Erschien der dreimal Geladene nicht, so ward er in's Blut-
buch geschrieben und für verfehmt erklärt. Jetzt konnte ihn jeder
Freifchöffe, wenn er ihn traf, an einem Baume aufknüpfen. Groß
war die Gewalt dieser geheimnißvollen Gerichte, selbst Fürsten und
Könige wurden vorgeladen. Erst gegen das Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts, als eine bessere Gerichtsordnung aufkam, verloren die
durch Mißbrauch ihrer Gewalt ausgearteten Fehmgerichte ihr
Ansehen und hörten nach und nach auf.
8- 74.
Verfall des teutschen Reiches. Rudolph von Habsburg. Der Schweizerbund.
Seit dem Ausgange der Hohenstaufen begann das teutsche
Reich immer mehr zu zerfallen. Die einzelnen Fürsten und Großen
hatten sich fast ganz unabhängig gemacht; die bunteste Vielherrschaft
mit allen ihren Folgen drückte das gemeinsame Vaterland und zer-
störte allen Gemeinsi'nn. Nur wenige kräftigere Kaiser konnten vor-
übergehend Ordnung und Ansehen im Reiche erhalten. Es ist die
Zeit der Auflösung des mittelalterlichen Lebens und des Überganges
zu einer neuern Zeit.
Nach dem sogenannten Zwifchenreich, wo selbst Ausländer,
wie Richard von Cornwallis und Alphons von Castilien,
die teutsche Krone erkauft hatten, ward auf Empfehlung des Erz-
bischofs Werner von Mainz der treffliche Graf Rudolph von
Habsburg, der bedeutende Güter in Schwaben und im Elsaß
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs_I. Friedrichs_I. Rudolph_von_Habsburg Richard_von_Cornwallis Alphons_von_Castilien Werner_von_Mainz Rudolph_von
Habsburg
124
Baden-Durlach, Georg Friedrich, stn'tten noch für die pro-
testantische Sache. Der Letzte wurde aber von Tilly bei Wim-
phen (6. Mai 1622), wo diebürger vonpforzheim ein erheben-
des Beispiel männlichen Sinnes gaben, besiegt; auch die beiden An-
deren mußten vor Tilly und dem kaiserlichen General Wallen-
stein bald das Feld räumen. Auch der König Christian Iv. von
Dänemark, welcher sich der teutschenprotestanten annahm, wurde
von Tilly bei Lutter am Barenberge (1626) geschlagen und
bald darauf zum Frieden genöthiget. So war der Kaiser Herr von
ganz Nordteutschland; die Herzoge von Meklenburg wurden in die
Reichsacht erklärt, und mit ihrem Lande Wallenftein, der bereits
zum Herzoge von Friedland ernannt worden war, belehnt. Denn
dieser außerordentliche und geheimnißvolle Mann, dessen Pläne weit
über die gewöhnliche Ordnung der Dinge hinauslagen, hatte vorzüg-
lich so großen Erfolg herbeigeführt. Er hatte dem Kaiser ein großes
Heer gesammelt und unterhielt es auf Kosten des unglücklichen Lan-
des, wo er eben stand. Aber laute Klagen der Fürsten über die
schrecklichen Erpressungen des Heeres und das hochfahrende Wesen
Wallenfteins nöthigte den Kaiser auf dem Fürftentage zu Re-
gensburg (1630) Wallenftein zu entlassen und das Heer zu
vermindern, über das Tilly den Oberbefehl erhielt.
8- 91.
Der dreißigjährige Krieg. Fortsetzung.
H. Won dem Auftreten Gustavadolphs inteutfchland
bis zum Ende des Krieges. 1630 — 48.
Der Kaiser hätte sich seines Sieges erfreuen mögen, hätte er
Mäßigung beobachtet. Aber er erließ nun das Reftitutionsedikt
(1629), nach welchem alle seit dempassauer Vertrage (1552) ein-
gezogenen Kirchengüter — und diese waren sehr bedeutend — wieder
zurückgegeben werden sollten. Dieses, wenn nicht ungerechte doch
harte Edikt, erregte die bittersten Klagen. Zu derselben Zeit suchte
Frankreich, besorgt für das Gleichgewicht Europas, der drohenden
Übermacht des doppelten Hauses Habsburg in Teutschland und
Spanien entgegen zu arbeiten. Es wollte daher die Protestanten
in Teutschland unterstützen, um sie gegen den Kaiser zu gebrauchen.
Der kluge Kardinal Richelieu, der damals an der Spitze der
französischen Regierung stand, ermunterte darum den schwedischen
König Gustav Adolph, der durch glückliche Kämpfe mit den Po-
len bereits als einer der ausgezeichnetsten Feldherren sich gezeigt hatte,
zu einem Zuge nach Teutschland, und versprach reiche Unterstützung
an Geld. Der Schwedcnkönig, für den es zugleich als Pflicht und
Interesse erschien, den Protestantismus in Teutschland aufrecht zu
erhalten, folgte gern dem Rufe und landete mit einem kleinen aber
wohlgeübten Heere (24. Juni 1630) an der teutschen Küste. Schnell.
Jl
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Extrahierte Personennamen: Georg_Friedrich Friedrich Tilly Tilly Christian_Iv Tilly Richelieu Gustav_Adolph Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Meklenburg Friedland Frankreich Europas Hauses_Habsburg Teutschland Spanien Teutschland Teutschland Teutschland
101
Zur Wahl des neuen Königs luden der Erzbischof von
Mainz, als der erste der Geistlichen, und der Pfalz graf am
Rhein, als der erste der weltlichen Fürsten, durch besondere Schrei-
den ein. Die Wahl mußte auf fränkischer Erde Vorgehen.
Dort versammelten sich die teutschen Fürsten mit ihren Völkern.
Gewöhnlich ernannte man einen engern Ausschuß, dem man die
Wahl übertrug; das Volk gab durch lauten Zuruf seine Beistimmung
zu erkennen. Allmählig bekamen die Inhaber der sieben obersten
Reichswürden oder Erzämter den größten Einfluß und gegen das
Ende des dreizehnten Jahrhunderts ausschließendes Recht auf die Wahl
des Königs. Gesetzlich aber ward den sogenannten Kurfürsten (von
kuren,wählen) jenes Recht erst durch die goldene Bulle 1356 durch
Kaiser Karl Iv. zugestanden. Durch diese wurden die Erz ä m ter und
damit die Kurwürde für bestimmte Länder, da sie früher oft noch
wechselten, festgefetzt: für die drei Erzbischöfe von Mainz, Köln und
Trier das Erzkanzleramt in Teutschland, Italien und Bur-
gund; für die Pfalz, Sachsen, Böhmen und Branden-
burg die Erzwürden eines Truchseß, Marschalls, Schenken
und Kämmerers. Denn die großen Herzogtümer in Südteutsch-
land, Schwaben, Franken und Baiern waren seit dem Aus-
gange der Hohenstaufen gesunken, und in viele kleinere Fürsten-
thümer und freie Reichsstädte zerfallen. Zugleich ward durch die
goldene Bulle, Frankfurt als gesetzlicher Wahlort, und
Aachen als Krönungsort des teutschen Königs festgesetzt.
Nach der Krönung zu Aachen trat der neue König seinen soge-
nannten Römerzug nach Italien an, wo er auf der ronkali-
schen Ebene die Huldigung der italienischen Vasallen, und zu Rom
durch den Papst die Kaiserkrönung erhielt.
Uber allgemeine Gesetze und alle wichtigeren Angelegenheiten
des Reiches entschieden die Reichstage, zu denen der Kaiser be-
rief, und wo vorzüglich nur die reichsunmittelbaren Stände Sitz
und Stimme hatten. Uber die Angelegenheiten der einzelnen Pro-
vinzen beratschlagten die Landtage, wozu der Herzog oder Fürst
der Provinz berief.
Geschriebene Gesetze gab es in Teutschland bis zum dreizehnten
Jahrhunderte wenige. Die Gerichte waren nach teutscher Art immer noch
öffentlich, und die Richter waren Schöffen oder Geschworne.
Die Drdalien oder Gottesurtheile, wie Zweikampf, Wasser-
probe, Feuerprobe u. s. w. galten immer noch als Mittel, um in
schwierigen Fällen zur Entscheidung zu kommen. Die oberste Ge-
richtsbarkeit übte der Kaiser in eigener Person. Die ersten grö-
ßeren Sammlungen teutscher Rechte und Gewohnheiten sind der
Sachsenspiegel (um 1215) und Schwabenspiegel (um 1255).
Aber das römische Recht bekam seit dieser Zeit immer größer»
Einfluß und verdrängte das germanische Gewohnheitsrecht.
Beck, Lehrb. der allgem. Geschichte. Ir Cursus. 8
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103
besaß- zum Könige gewählt (1273 — 1291). Mit Klugheit und Kraft
stellte Rudolph Ruhe und Ordnung im Reiche her; bändigte die
vielen Raubritter, die alle Straßen und Wege unsicher machten,
und zerstörte ihre Burgen. Der mächtigste Fürst Teutschlands,
Ottokar, Herzog von Böhmen, der den Königstitel führte, und
zugleich Kstreich und Steiermark besaß, wollterudolph nicht
anerkennen. Mehrmals aber vergeblich zur Belehnung vorgeladen,
ward er in die Acht erklärt und verlor endlich gegen Rudolph auf
dem Marchfelde in Ostreich (1278) Schlacht und Leben. Nur
Böhmen und Mähren verblieben Ottokar'ssohne; die östrei-
chischen Länder aber erwarb Rudolph für sich und sein Haus.
Sein Sohn Alb recht I. folgte als teutscher Kaiser erst, als
Adolph von Nassau (1292 —1298) gegen ihn umgekommen,
seit 1298 — 1308. Er regierte aber hart und gewaltthätig, und
wollte auch die bis dahin reichsunmittelbaren freien Gemeinden an
dem Vierwaldstädter See zur Anerkennung der Oberhoheit
seines Hauses bringen, und drückte sie durch seine Vögte auf jede
Weise. Da traten Werner Stauffacher aus Schwyz, Wal-
ter Fürst aus Uri, Arnold von Melchthal aus Unterwal-
den, mit mehren Anderen auf dem Rütli (7. Nov. 1307) zu
einem Bunde zusammen, jagten die Vögte, nachdem der verhaßteste
derselben, Geßler, von dem wackern Wilhelm Lell bereits ge-
tödtet worden war, aus dem Lande und zerstörten die Zwingburgen
(1. Jan. 1308). Albrecht, der mit Heeresmacht heranzog, wurde
an dem Ufer der Reuß von seinem eigenen Vetter, Johann von
Schwaben, dessen Erbe er vorenthielt, und einigen anderen Ver-
schwornen ermordet (1. Mai 1308). Heldenkühn vertheidigten die
Eidgenossen oder Schweizer, wie nun die Bewohner jener
Gegend heißen, ihre Freiheit gegen Ostreich in Schlachten, wie bei
Morgarten 1315 und bei Sempach 1386 (Arnold von Win-
kelried). An jene Urkantone schlossen sich nach und nach noch an-
dere umliegende Kantone an, welche zusammen die helvetische
Eidgenossenschaft bildeten, deren gänzliche Unabhängigkeit vom
teutschen Reiche aber erst im weftphälischen Frieden 1648 an-
erkannt wurde.
8' 75.
Kaiser aus verschiedenen Häusern. Die Luxemburger. Die Huffiten.
Nach Albrecht's Ermordung folgte Heinrich Vii. (1308 —
1313), ein Graf von Luxemburg, der auch Böhmen für sein
Haus erwarb; dann
Ludwig der Baier (1314 —1347), zugleich erwählt mit
Friedrich dem Schönen von Ostreich. Im Kriege, der darum
zwischen beiden entstand, siegte Ludwig über Friedrich bei Mühl-
dorf <1322) und nahm ihn gefangen. Aber edelmüthig söhnten sich
8*
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Rudolph_Ruhe Ottokar Ottokar Rudolph Rudolph Adolph_von_Nassau Werner_Stauffacher Arnold_von_Melchthal Wilhelm_Lell Wilhelm Albrecht Johann_von
Schwaben Johann Arnold_von_Win- Heinrich_Vii Heinrich Ludwig_der_Baier Ludwig Friedrich_dem_Schönen_von_Ostreich Friedrich Ludwig_über_Friedrich Ludwig Friedrich
105
punkt der Gewerbe und des Handels, der Kunst und Wiffenschaft.
Man unterschied zwischen Reichs- und Landstädten, welche letz-
tere nicht wie die ersteren unmittelbar unter dem Kaiser, sondern
zunächst unter der Hoheit eines großen Reichsvasallen standen. Ur-
sprünglich wurden die Städte von einem Vogte, den der Kaiser
oder der Fürst der Provinz setzte, verwaltet. Dem Vogte zur Seite
waren die aus den Bürgern gewählten Schöffen. Die meisten
Städte hatten sich aber nach und nach ihre eigenen Stadt rechte
und viele Freiheiten erworben; sie besaßen Waffenrecht, Münzrecht,
das Recht zu eigener Verwaltung und Gerichtsbarkeit. So bildeten
sich in vielen Städten sehr freie und eigenthümliche Verfassungen
aus, die ein äußerst rühriges und vielseitiges Leben, und in dessen
Folge außerordentlichen Wohlstand und große Macht hervorriefen.
Schon frühzeitig verbanden sich gegenseitig die Städte mit einander
zum Schutze ihrer Rechte und Freiheiten, und zur Beförderung ihres
Handels und Kunstfleißes. So entstand seit der Mitte des drei-
zehnten Jahrhunderts der rheinische^ Städtebund von mehr als
60 Städten, und später der schwäbische. Der wichtigste und
mächtigste war aber die sogenannte Hansa, d. i. Genossen-
schaft, ein Bund von mehr als hundert Städten mit höchst eigen-
thümlichen, fast klösterlichen Einrichtungen, unter denen Lübeck,
Hamburg, Bremen, Köln u. a. die wichtigsten waren. Die
Macht dieses ebenfalls seit dem dreizehnten Jahrhunderte entstande-
nen Bundes wurde so bedeutend, daß er große Flotten und Heere
hielt und selbst mit Königen siegreich kriegte. Im Auslande waren
seine Hauptniederlagen London, Nowgorod in Rußland, Ber-
gen in Norwegen. Erst seit der Entdeckung Amerikas verfiel die
Hansa.
Wie in Teutschland, so blühten auch die Städte in Lberitalien
seit den Kreuzzügen herrlich auf, und wurden wahre Freistaaten,
die kaum dem Namen nach vom teutschen Kaiserreiche noch abhän-
gig waren. Aber sie wußten in ihrer Freiheit weniger Maaß und
Ziel zu halten, als die teutschen Städte, darum kamen die meisten
bald unter die oft tyrannische Herrschaft einzelner hervorragender
Familien. So herrschten die Visconti, später die Sforza in
Mailand, die Este in Modena und Ferrara, die Medici,
ursprünglich Kaufleute, in Florenz. Die letzteren aber wurden
nicht nur für ihre Vaterstadt, sondern auch für ganz Italien äußerst
wohlthätig durch Beförderung der Künste und Wissenschaften, durch
Weisheit und Einsicht. Nur das besonnene und so eigenthümliche
Venedig, und Genua blieben Republiken.
8- 77.
Erfindungen im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderte.
Kein Volk hat sich durch so namhafte und wichtige Erfindun-
gen ausgezeichnet als das teutsche. Hierher gehört schon das
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Extrahierte Personennamen: Sforza
Extrahierte Ortsnamen: Hamburg Bremen London Rußland Norwegen Amerikas Teutschland Lberitalien Mailand Modena Ferrara Florenz Italien Venedig Genua
108
§. 79.
Große Macht des Hauses Habsburg in Deutschland und Spanien.
In Teutschland folgte auf Sigismund sein Schwiegersohn
Albrecht Ii. von Ostreich (1438 — 1439). Seit dieser Zeit
blieb die Deutsche Krone bei'm Hause Habs bürg, das bald durch
großen Ländererwerb zu einer außerordentlichen Macht gelangen
sollte. Leider regierte der hoffnungsvolle Albrecht zu kurz und sein
träger Nachfolger
Friedrich 111. (1439— 1493) zu lange. Erst an seinem
ritterlichen Sohne
Maximilian 1. (1493 —1519) bekam das durch das wieder-
erwachte Faustrecht zerrüttete Teutschland einen kräftigen Regenten.
Dieser, durchs treffliche Eigenschaften, durch hohen Sinn und begei-
sterte Liebe für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnete Kaiser, der
würdig den Übergang vom Mittelalter zu einer neuern Zeit bildete,
sorgte rastlos für des Reiches Ehre und Frieden. Auf dem Reichs-
tage zu Worms(1495)ward ein ewiger Landfriede bei Strafe
der Neichsacht und 2000 Mark Goldes für den Übertreter geboten,
und dadurch dem Faustrechte für immer gesteuert. Zugleich ward
ein höchstes Reichsgericht, unter dem Namen Kammergericht, an-
fangs zu Worms, nachher zu Wetzlar, errichtet, und später das
ganze Reich zur bessern Erhaltung der Ordnung in zehn Kreise ein-
getheilt, mit Kreisobersten und Kreistagen.
Zugleich ward durch Maximilian der Grund zu einem Glanze
und einer Macht des Hauses Habsburg gelegt, dergleichen kaum
je ein anderes Regentenhaus besaß. Der reichste Fürst jener Zeit
war Karl der Kühne, Herzog von Burgund, der fast die
sämmtlichen reichen Länder des alten Lothringen besaß. Auch die
Schweizer wollte der stolze Karl unterwerfen. Aber im Kampfe
mit ihnen ward er in den gewaltigen Schlachten bei Granson und
Murten(1476)geschlagen und kam bei Nancy(1477)um's Leben.
In demselben Jahre heirathete Maximilian Karl's einzige Toch-
ter, Maria, und brachte so fast alle Länder desselben an sein
Haus. Noch größere Macht ließ die Verbindung mit Spanien
hoffen. In diesem Lande hatten sich neben der arabischen Herrschaft
(seit 711) nach und nach wieder mehre christliche Königreiche gebil-
det, welche sich zu zwei größeren, Castilien und Aragonien,
vereinigten. Im Westen war seit den Kreuzzügen (1139) das Kö-
nigreich Portugal entstanden. Im Jahre 1492 hörte die Herr-
schaft der Araber oder Mauren in Spanien ganz auf. Bald dar-
auf (1496) vermählte Maximilian seinen Sohn Philipp mit
Johanna, der Tochter Ferdinands von Aragonien und Jsa-
bellens von Castilien. Philipps Sohn, Karl 1., vereinigte
darauf (1516) ganz Spanien, zu dem bereits auch Neapel, Sar-
dinien und Sicilien gehörten, und für welchen eben in der
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Albrecht_Ii Albrecht Albrecht Friedrich Maximilian Maximilian Maximilian Maximilian Karl_der_Kühne Karl Karl Maximilian_Karl's Maximilian Maria Maria Maximilian Maximilian Philipp Philipp Johanna Ferdinands Philipps Philipps Karl_1. Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Spanien Teutschland Worms Wetzlar Burgund Lothringen Spanien Aragonien Portugal Spanien Aragonien Spanien Neapel Sicilien
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Teutschland auf durch Geldunterstützung und Heere (seit 1635). Doch
blieb der Kampf unentschieden und äußerst wechselvoll. Plündernde
Heere durchzogen das unglückliche Teutschland von einem Ende zum
andern, und verwüsteten Freundes- und Feindesland. Keine Partei
wollte nachgeben, da keine über die andere ein entschiedenes Überge-
wicht erringen konnte. Man kämpfte noch fort, um bei den bereits
seit 1641 angeknüpften Friedensunterhandlungen seine Forderungen
desto höher steigern zu können. Der Krieg endete da, wo er ange-
fangen hatte; der schwedische General Königsmark eroberte 1648
einen Theil vonpraä, als der längst ersehnte Friede zu Osnabrück
und Münster in Westphalen endlich zu Stande kam (24. Okt.
1648), und der unsäglichen Kriegsnoth ein Ziel setzte.
8. 92.
Der westphälische Friede.
Die vorzüglichsten Bestimmungen dieses wichtigen Friedens sind:
Frankreich bekam den größerntheil vomelsaß und densund-
gau, als eine vom teutschen Reiche ganz unabhängige Provinz;
Schweden aber ward teutscher Reichsstand und erhielt den
größten Theil von Pommern nebst Bremen, Verden und
Wismar. Ebenso gut wurden die Anhänger Frankreichs und Schwe-
dens in Teutschland durch Gebietsvergrößerung oder Geld entschädigt.
Der Kurfürst von Baiern behielt zwar die Oberpfalz, aber
die Rheinpfalz ward an den Sohn des geächteten Friedrich
zurückgegeben, und für ihn eine achte Kur geschaffen, so daß, als
später (1692) das Haus Braunschweig-Hannover zur Kur-
würde erhoben wurde, die Zahl der den Kaiser wählenden Fürsten
auf 9 Stimmen stieg. — In Bezug auf die Ausübung der Religion
und den Besitz der Kirchengüter ward festgesetzt, daß das Jahr 1624
als Normaljahr gelten sollte. Außerdem ward den teutschen Für-
sten oder Ständen Landeshoheit, und sogar das Recht, mit Fremden
Bündnisse zu schließen, zugestanden, nur sollte es nicht gegen Kaiser
und Reich sein. Dem Kaiser verblieb kaum der Schein einer Macht;
die oberste Gewalt sollte eigentlich der Reichstag haben. Dieser aber,
unvollkommen zusammengesetzt, hatte weder Kraft noch Ansehen, be-
sonders als er seit 1663 zu Regensburg permanent erklärt
wurde.
So waren die Folgen des dreißigjährigen Krieges für Teutsch-
land höchst traurig. Es verlor nicht nur einige seiner schönsten Pro-
vinzen an Fremde, sondern auch seine Einheit im Innern und sein
Ansehen und seine Kraft nach Außen waren zu Grunde gegangen.
Fast zwei Drittheile der Bevölkerung waren durchs Schwert, durch
Seumen, Hungersnoth, Martern und Elend aller Art umgekommen.
Die einst durch Wohlstand und Kultur blühenden teutschen Städte
waren verarmt oder lagen in Schutt; der Feldbau ward veruachläs-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Wismar Frankreichs Baiern Rheinpfalz